Freitag, 8. April 2011

Indische Klangwelten

Immer wieder habe ich mir die Frage gestellt warum gerade die nordindischen Ragas so eine tiefe Wirkung auf mich haben. Das Wort Raga wird oft mit Leidenschaft oder Emotion übersetzt. "Das was den Geist färbt"
so wie es der bekannte Sitar Meister Ravi Shankar ausdrückt. Ragas sind Klangstrukturen die je nach Tages - oder Jahreszeiten eingesetzt werden.
In der indischen Musik findet man Modalität, d.h. einen Zentralton, von dem einstimmige Skalen (Raga) ausgehen, also bestimmte Folgen von Intervallen (auch Mikrointervalle), denen auch bestimmte psychische Wirkungen zugeordnet werden
Modale einstimmige Musik, wie die der Gregorianik oder der indischen Musik war immer mit Spiritualität verbunden.
Musik öffnet Wege zur Spiritualität (z.B. Nada Yoga) und diese sind eng verknüpft mit Heilung, Heilwerden, Ganz-und Gesund-sein.
Gerade die Einfachheit der sogenannten modalen einstimmigen Musik bringt den Geist zur Ruhe und trotz anfänglicher Fremdheit wird der Hörer von ihr ergriffen.
Durch ihre entspannende und zentrierende Wirkung, wird deshalb einstimmige Musik in der Musiktherapie immer wieder eingesetzt.
Die klangtherapeutische Wirkung der Ragas auf die Psyche wird jedoch leider oft von indischen Lehrern mystifiziert und verschleiert. Es ist schwer einen geeigneten Nada Yoga Lehrer zu finden, da eine ganze hinduistische Tradition damit verbunden ist, die eigentlich nur Hindus oder Familien Angehörige einer Gharana weitergegeben wird.
Letztlich haben mich aber meine Lehrer  soweit gebracht, dass ich mich mit einer Karte in der Hand selber in den Dschungel der indischen Klangwelt hinein trauen konnte.
Es kann dir eigentlich ja auch keiner die Wirkung der Töne oder Ragas wirklich vermitteln. Es ist eine reine Selbsterfahrung.
Inspiriert durch Manfred Junius und andere Meister entdeckte ich, dass Intervalle und Ragas tatsächlich eine allgemein gleich erlebte Emotion hervorrufen.
Wie sagte mein Guruji oft: "In einer Raga hast du 5 oder 7 verschiedene Gewürze. Mit der Erfahrung weiß ein Koch ohne ins Rezeptbuch zu schauen, wie das Essen dann schmecken wird."
Rudolf Haase spricht in der harmonikalen Forschung von dem "disponierten Gehör" d.h. Intervalle entsprechen harmonikalen Gesetzen und Proportionen die auch in der Natur vorkommen und die im menschlichen Gehirn festgelegt sind. Gerade die grundtonzentrierte Musik macht Intervalle deutlich erlebbar.
Für mich haben sich die Inder ein altes Wissen über die Wirkung der Töne und Skalen erhalten, was aber letztendlich nicht indisch ist, sondern sich auf universelle harmonikale Gesetze beruft.
Eine Raga ist so gesehen für mich eine Klangformel die eine ganz spezifische emotionale Energie wach ruft und diese Energie zu ihrer Quelle, die reine unaussagbare Liebe ist, zurückführt. Dann sind wir im wahrsten Sinne wieder im "Ein Klang".
Raus aus der Dualität- zwischen Annehmen und Verwerfen, Freude und Leid - ruhend in der wahren Wesensnatur.
Und das ist ja eigentlich die wahre Bedeutung von Yoga wie es bei Patanjali heißt:
" Yoga ist jener innerer Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen".
Wenn also alle verselbstständigten und nicht verarbeiteten Emotionen und Gedanken auf diese Weise durch die Raga jeweils wach gerufen werden, "fängt der Klang (bzw. der Grundton) wie mit einem Lasso diese Energie ein und führt das wilde Pferd heim in den Stall", wie es freiübersetzt im Hatha Yoga Pradipika heißt.
Dieses Gefühl von endlich "zu Hause sein", "in der Mitte sein", "endlich bei sich ankommen", dieser Prozess wird als Heilung - als Heilsein und Einssein erfahren.
Das ist es was mich immer wieder an indischer Musik, besonders an Dhrupad berührt.

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