Wer heute im Westen Sitar, Rudra Vina oder andere indische
Musikinstrumente erlernen möchte, muss sich am Anfang für einen der vielen
Unterrichtsstile entscheiden. Oft wird man es schwer haben, einen geeigneten
Unterricht und einen kompetenten Lehrer in seiner Nähe zu finden. Nicht jeder
gibt gleich alles auf und studiert indische Musik in Indien oder folgt einem
indischen Meister, der ab und an Workshops im Westen gibt.
Aber wer einmal von den indischen Klängen berührt worden
ist, verspürt eine tiefe Sehnsucht diesem „Duft“ zu folgen.
Indische Musik ist heute eine hochrangige Klassik, eine raffinierte
Kunstmusik.
Das war nicht immer so. Indische Musik war ursprünglich eine
rein sakrale Musik, abgesehen von der Volksmusik. Saiteninstrumente haben schon
vor über 3000 Jahren die Gesänge der alten vedischen Rezitationen begleitet.
Später wurden sie dann zur Begleitung der Tempelmusik eingesetzt.
Doch zu der Zeit von Swami Haridas, einem Musikheiligen
(nada – siddha), der im 16 Jahrhundert in Vrindavan lebte, kam es zu großen
Veränderungen in der indischen Musik. Tansen, ein Schüler von Swami Haridas,
wurde ein berühmter Hofmusiker von Kaiser Akbar. Sein Stil und seine
Kompositionen haben die nordindische Musik in der Folgezeit geprägt.
Damit hatte sich die indische Musik in zwei Richtungen
gespalten:
„Marga – Sangita“ – die Tempel– und Meditationsmusik und
„Deshi – Sangita“ – die Kunst– und Hofmusik.
Der in der Gegenwart in Indien sowie im Westen überwiegend unterrichtete
Musikstil ist der Weg der Kunst- und Hofmusik. Der Schüler folgt einer z. T.
jahrhundertealten Musikertradition (Gharana) und lernt die komplexen Techniken
und Rhythmen, um sie in einer kunstvollen Virtuosität nach außen zu bringen. Sein
Ziel ist es, ein begnadeter Konzertmusiker zu werden und heutzutage möglichst
schnell zu Ruhm und Anerkennung zu gelangen.
Der westliche Schüler, der sich nach jahrelangen mühevollen
Übungsstunden diese Virtuosität angeeignet bzw. diese kopiert hat, steht schon
bald vor einem Dilemma. Denn er wird weder in Indien noch im Westen als
Konzertmusiker wirklich anerkannt und für voll genommen. Wenn der
Konzertveranstalter die Wahl hat, greift er doch lieber zum indischen Original.
So wird der Schüler irgendwann frustriert aufgeben, oder
sich in die „Fusion-Ecke“ zurückziehen.
Der meditative Musikweg dagegen ist eher unorthodox. Auch
hier gibt es verschiedene Schulen und Methoden. Meist werden nur die
Grundspieltechniken vermittelt und die Virtuosität nicht explizit gefördert.
Der Weg führt hier nicht nach außen auf die große Bühne, sondern ganz
unspektakulär nach innen. Hier geht es um eine Bewusstseinsschulung. Ein Weg
des achtsamen und absichtslosen Lauschens. Die Ragas, die hier erlernt werden,
sollen nicht den Zuhörer verzaubern und beeindrucken, sondern dienen der
emotionalen Katharsis und Selbstfindung.
Hinweise auf den Gebrauch indischer Saiteninstrumente im Nada Yoga finden sich u.a. in der alten Schrift des Vijnana Bhairava Tantra
(V.41) aus dem 6. Jahrhundert. Hier wird deutlich, dass es nicht um Ruhm oder
Anerkennung geht und es auch nicht unbedingt applaudierende Zuhörer braucht.
Yoga – Übungen (asana), Atemübungen (pranayama), Meditation
(dhyana) und Konzentrationsübungen (dharana) ermöglichen ein vertieftes
Eintauchen in die Wirkungsweise der Töne und Skalen. Das Üben (sangita-sadhana)
der Sitar oder der Rudra Veena wird zum täglichen Gebet und zur Meditation, die
zu einer Ausgeglichenheit des Geistes führt. Eine Bestätigung der musikalischen
Fähigkeiten durch ein begeistertes Publikum oder den Lehrer ist hier nicht
erforderlich.
Auf diesem Weg vermittelt der Lehrer dem Schüler
letztendlich nur die Grundkenntnisse und Techniken. Dann muss er selbst hinabtauchen
in den Ozean des Klangs.
Ob man nun die Richtung des Konzertmusikers oder des
Meditationsmusikers wählt, der indische Musikweg ist in jedem Fall ein Weg der
reinen Selbsterfahrung.
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